Digitaler Stress kann sich negativ auf unser Wohlbefinden und Stressempfinden auswirken. Doch wir können neue Technologien auch so nutzen, damit sie uns richtig guttun. Beispielsweise mit Mindful Dance Sessions zum Kopflüften in der Mittagspause.
In einer randomisierten, kontrollierten Pilotstudie haben wir den Einfluss von Live-Sessions auf Wohlbefinden und Stress untersucht.
1. Platz: WFKT Nachwuchspreis
Die Pilotstudie “Online-Tanz- und Bewegungstherapie zur Stressprävention von Arbeitnehmenden” erhielt den Nachwuchspreis der WFKT (Wissenschaftliche Fachgesellschaft für Künstlerische Therapien) für die beste Masterarbeit 2021.
Stress im Beruf – größte gesundheitliche Herausforderung
Er spielt eine große Rolle für unsere körperliche Gesundheit und ist mitverantwortlich für Störungen des Immunsystems, Herz-Kreislauf-Systems und des Bewegungsapparates. Aber auch bei der Entstehung und Aufrechterhaltung psychischer Beschwerden ist sein Einfluss enorm. Die WHO sieht Stress im Beruf als eine der größten gesundheitlichen Herausforderungen der heutigen Zeit – dicht gefolgt von den eignen hohen Ansprüchen.
Tanz den Stress weg – Forschung zu digitaler Therapie
Wie wirksam Tanz- und Bewegungstherapie für Stressprävention und Stressbewältigung sein kann, zeigen inzwischen einige empirische Studien. moveinu setzte sich mit der spannenden Frage auseinander, wie neue Technologien kombiniert mit Tanz und Bewegung so genutzt werden können, damit sie unserer Gesundheit richtig guttun. Die bisherige Forschung u.a. zu videobasierter Psychotherapie, aber auch die wenigen Studien zu Online-Tanztherapie, weisen darauf hin, dass Online-Konzepte sogar sehr gut funktionieren. Da haben wir uns gedacht: “Digital” könnte auch in der Stressprävention eine gute Sache sein.
Die Pilotstudie
Im Rahmen der Masterarbeit zum Abschluss des Studiums der Tanz- und Bewegungstherapie von Nadine haben wir gemeinsam mit unterschiedlichsten Menschen aus unterschiedlichsten Unternehmen und Settings in der Mittagspause getanzt und den Einfluss auf Wohlbefinden und Stress untersucht. Diese Forschungsarbeit zeigt vielversprechende Tendenzen.
Methodik
Für die randomisierte, kontrollierte Studie arbeiteten wir mit Messwiederholungsdesign (Vorher-Nachher-Untersuchung) und einer Wartekontrollgruppe. Die Proband:innen wurden zufällig der Experimental- und der Kontrollgruppe zugeteilt. Während des Studienzeitraums erhielt die Kontrollgruppe kein Treatment. Der Studie liegt ein quantitativer Methodenschwerpunkt zugrunde. Stress und Wohlbefinden wurden in Fragebögen durch standardisierte Skalen erfasst. Die Skala des PSQ (Perceived Stress Questionnaire) nutzen wir für die Messung der subjektiven Stressbelastung und die Skala des PANAS (Positive and Negative Affect Schedule), um das Wohlbefinden zu erheben.
Tanzen in der Mittagspause
Diese Aussagen trafen Teilnehmende der Studie nach 4 Sessions zu je 25 Minuten innerhalb eines Zeitraumes von 2 Wochen:
Weitere Ergebnisse
Die Dropout-Rate für Studienabbrüche ist mit 40 % leider hoch. Gründe dafür sind hautsächlich ein zu hohes Arbeitspensum und die knappe Zeit in der Mittagspause.
Es konnte beobachtet werden, dass das Stresslevel beider Gruppen im Zeitverlauf sank, das der Experimentalgruppe (Online-Sessions erhalten) jedoch stärker zurück ging als das der Kontrollgruppe (keine Online-Sessions).
Das Wohlbefinden der Experimentalgruppe (Online-Sessions erhalten) stieg im Studienverlauf, während das der Kontrollgruppe (keine Online-Sessions) sank.
Die Verbesserung von Stress und Wohlbefinden der Experimentalgruppe von Studienbeginn bis -ende ist im Vergleich zur Kontrollgruppe nicht signifikant. Das ist vermutlich auf die kleine Stichprobengröße und den kurzen Studienzeitraum zurückzuführen.
Fazit
Die Pilotstudie zeigt Ansätze auf, um stressbedingten Beeinträchtigungen präventiv und auf innovativer Weise zu begegnen. Sie fängt aktuelle technologische Entwicklungen im Bereich der Psychotherapie ein und begegnet mit ihren Ansätzen dem zunehmend digitalen Nutzerverhalten. Die durchgeführten Untersuchungen lassen Tendenzen zu einer positiven Entwicklung des Stresslevels und des Wohlbefindens der Teilnehmenden erkennen. Damit gibt die Studie Hinweise auf das Potential von tanztherapeutisch fundierten Online-Angeboten im Bereich der Stressprävention.
Quellen & weiterführende Literatur
- Backhaus, A., Agha, Z., Maglione, M. L., Repp, A., Ross, B., Zuest, D., Rice.Thorp, N. M., Lohr, J. & Thorp, S. R. (2012). Videoconferencing Psychotherapy: A systematic review. Psychological Services, 9(2), 111-131. https://doi.org/10.1037/a0027924
- Beverhill, M. B., Culmer, N., Williams, N., Halli-Tierney, A., Betancourt, A., Roberts, H. & King, M. (2019a). Videoconferencing psychotherapy and depression: A systematic review. Telemedicine and e-Health, 25(6), 435-446. https://doi.org/10.1089/tmj.2018.0058
- Beverhill, M. B., Halli-Tierney, A., Culmer, N., Williams, N., Betancourt, A., King, M. & Ruggles, H. (2019b). Videoconferencing psychological therapy and anxiety: A systematic review. Family Practice, 36(1), 53-63
- Hartmann-Strauss, S. (2020). Videotherapie und Videosupervision. Springer.
- Levy C. E., Spoonerc, H., Leec, J. B., Sonked J., Myerse, K. & Snow, E. (2018). Telehealth-based creative arts therapy: Transforming mental health and rehabilitation care for rural veterans. The Arts in Psychotherapy 57, 20–26. https://doi.org/10.1016/j.aip.2018.11.012
- Lin, L. A., Casteel, D., Shigekawa, E., Weyrich, M. S., Roby, D. H., & McMenamin, S. B. (2019). Telemedicine-delivered treatment interventions for substance use disorders: A systematic review. Journal of substance abuse treatment, 101, 38–49. https://doi.org/10.1016/j.jsat.2019.03.007
- Norwood, C., Moghaddam, N. G., Malins, S. & Sabin-Farrell, R. (2018). Working alliance and outcome effectiveness in videoconferencing psychotherapy: A systematic review and noninferiority meta-analysis. Clinical psychology & psychotherapy, 25(6), 797–808. https://doi.org/10.1002/cpp.2315
- Gimpel, H., Berger, M., Regal, C., Urbach, N., Kreilos, M., Becker, J. & Derra, N. D. (2020b). Belastungsfaktoren der digitalen Arbeit. Eine beispielhafte Darstellung der Faktoren, die digitalen Stress hervorrufen. Projektgruppe Wirtschaftsinformatik des Fraunhofer FIT. https://doi.org/10.24406/fit-n-581326
- Paulsen, H. & Kortsch T. (2020). Stressprävention in modernen Arbeitswelten: Das „Einfach weniger Stress“-Manual. Hogrefe Verlag.
- Peter, P. (2021), Online-Tanz- und Bewegungstherapie zur Stressprävention von Arbeitnehmenden: Eine randomisierte, kontrollierte Pilotstudie. [Unveröffentlichte Masterthesis], Fakultät für Therapiewissenschaften, SRH Hochschule Heidelberg.
- Preschl, B., Maercker, A., & Wagner, B. (2011). The working alliance in a randomized controlled trial comparing online with face-to-face cognitive-behavioral therapy for depression. BMC Psychiatry, 11, 189. https://doi.org/10.1186/1471-244X-11-189
- Wagner, B., Horn, A. B., & Maercker, A. (2014). Internet-based versus face-to-face cognitive-behavioral intervention for depression: a randomized controlled non-inferiority trial. Journal of affective disorders, 152-154, 113–121. https://doi.org/10.1016/j.jad.2013.06.032